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Zweifel an der Geschäftsfähigkeit bei einer Grundstücksübertragung nach einem Erbfall

|   Rechtstipp

Im Rahmen einer Grundstücksübertragung nach einem Erbfall entstanden Unklarheiten über die Unterschriftsleistung einer der Beteiligten. Diese hatte am Ende einer Urkunde an der Stelle über der Unterschrift des Notars zwar etwas geschrieben, allerdings in einem bemerkenswerten Schriftbild: Zunächst waren schwach ein „S“ sowie einige unleserliche Striche dahinter zu erkennen. Danach war der Nachname der Beteiligten zu lesen und dahinter eine nicht klare Buchstabenfolge in einem aus vier Buchstaben bestehenden Vornamen. Zur Errichtung der Urkunde hatte sich der Notar in eine Pflegeeinrichtung begeben. Im Grundbuchverfahren nahm der Notar dahingehend Stellung, dass die Beteiligte nach seiner Einschätzung zwar etwas aufgeregt, aber absolut klar und im Bilde gewesen sei, er habe mit ihr eingehend über die beabsichtigte Erklärung gesprochen. Aufgrund ihrer körperlichen Gebrechlichkeit und latenten Aufgeregtheit sei sie nicht in der Lage gewesen, ihre Unterschrift flüssig unter die Urkunde zu setzen. Daher würde auch das nicht identifizierbare Schriftzeichen herrühren. Das Grundbuchamt war hiervon nicht überzeugt und gab den Beteiligten auf, die Geschäftsfähigkeit der betroffenen Beteiligten durch ein ärztliches Gutachten nachzuweisen. Es artikulierte begründete Zweifel an der Geschäftsfähigkeit der Beteiligten zum Zeitpunkt der Beurkundung. Die nicht eindeutig identifizierbaren Schriftzeichen vor der Unterschrift der Beteiligten würden, für sich allein betrachtet, nicht zwingend auf eine Geschäftsunfähigkeit hindeuten. Ein im eigenen Vornamen enthaltener Schreibfehler in Form eines Buchstabendrehers würde hingegen erhebliche Zweifel an der Geschäftsfähigkeit begründen, da er regelmäßig auf eine starke Einschränkung im Bereich der geistigen Funktionen zurückzuführen sei. Zu Recht, wie das OLG entschied: zwar darf das Grundbuchamt im Regelfall von der Geschäftsfähigkeit von Volljährigen ausgehen, hat aber beim Bestehen von Zweifeln selbstständig durch Zwischenverfügung die Geschäftsfähigkeit zu prüfen. So können etwa Zweifel an der Geschäftsfähigkeit darauf gestützt werden, wenn die Betroffene offensichtlich ein zweites Mal zur Unterschrift ansetzen musste, ihren aus vier Buchstaben bestehenden Vornamen nicht fehlerfrei geschrieben und dies entweder nicht bemerkt hat oder trotz eines Bemerkens so hingenommen hat. In diesen Fällen ist nicht mehr vom Grundsatz der Geschäftsfähigkeit auszugehen. Da nicht selten die älteren Urkundsbeteiligten nicht mehr in der Unterschriftsleistung geübt sind, hätte der Notar vor der Unterzeichnung klären sollen, ob die Beteiligte ihre Unterschrift „sicher“ erbringen kann – allen voran, wenn ihm nach eigenem Bekunden eine „Aufgeregtheit“ aufgefallen war.

Peter W. Vollmer
Rechtsanwalt und Notar, Fachanwalt für Erbrecht,
Fachanwalt für Bau- und Architektenrecht

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